Herr Urs Hänggi gründete vor fast 30 Jahren die Firma Biomer, die PHB-Granulat (Biokunststoff) vertreibt. Im Interview erzählt Herr Hänggi ein wenig über seine Geschichte, seine Arbeit, teilt einiges an Wissen über PHB und stellt seine Sicht über den Umgang mit Biokunststoffen in Deutschland dar.
Guten Tag, Herr Hänggi! Sie gründeten schon vor fast 30 Jahren die Firma Biomer. Dort stellen Sie den Biokunststoff PHB (Polyhydroxybutyrat) in Form von Granulaten zur Weiterverarbeitung von Kunststoffartikeln her.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Biokunststoff zu verkaufen?
In Darmstadt und in Köln lehrte ich angewandte Mikrobiologie. Durch die damalige Ölkrise war PHB1 ein brennendes Thema, wodurch ich die relevanten Veröffentlichungen und Namen kannte: Solvey, ICI (Imperial Chemical Industries), Grace, Givaudan, Chemie Linz.
Später, als sich nur noch die ICI mit dem Thema befasste, leitete ich eine österreichische Auftragsforschungsfirma. Zu meinem Erstaunen wurde dort für die Chemie Linz immer noch an PHB gearbeitet. Wir haben dann diese Entwicklung ausgeweitet.
Als der Auftraggeber, jetzt Borealis, während der ersten weltweiten PP-Krise alles was nicht PP2 war verkaufen wollte, habe ich mich gemeldet. Nach längeren Verhandlungen erhielt ich Patente, Know-How und Stämme.
Oft heißt es, dass Biokunststoff in Wahrheit nicht wirklich umweltfreundlich ist. Wie sieht das mit PHB aus?
Anfangs wurde diese Aussage vor allem aus der klassischen erdölbasierten Polymer-Ecke getroffen. Später auch vom Bundesumweltamt und den extremen Grünen (Bauern seien grundsätzlich umweltschädigend). Zudem wurde der Diesel für die Ackerbearbeitung in die Lebenszyklusanalyse (auch bekannt als Umweltbilanz, Ökobilanz oder englisch life cycle assessment bzw. LCA) eingearbeitet.
In der Tat ist PHB nicht neutral, denn man braucht auch Energie für die Fermentation und Chemikalien für die Extraktion. Bei PP geht man von Saudi-Erdöl aus 10 Meter Tiefe aus. Exon Valez3 und die Exploration von Erdöl werden ignoriert (auch heute noch!).
Lässt sich PHB auch ohne umweltschädliche Zugaben zu brauchbaren Artikeln verarbeiten? Welche z.B.?
Ja. Im Prinzip fast alle Kunststoffartikel, ausgenommen die Highpreformanceteile z.B. im Motorraum von Autos.
Das heißt, ich kann meinen Müll aus PHB einfach in der Natur entsorgen?
Im Prinzip ja. Man muss aber wissen, dass der Abbau extrem langsam vonstattengeht. PHB wird nur durch Mikroorganismen abgebaut, indem diese das PHB „auffressen“.
Die Geschwindigkeit in verschiedenen Umweltsituationen kann etwa mit der von Hartholz verglichen werden.
Wie groß ist die aktuelle Nachfrage nach PHB im Vergleich zu ähnlichen Kunststoffen, welche nicht biologisch abbaubar sind?
Deutlich weniger als 0,2%.
Sehen Sie für PHB in Zukunft eine größere Nachfrage? Warum?
Ja. Es ist wie mit dem Bio-Gemüse. Anfangs war dies meist schon verdorben und extrem teuer. Heute ist es nur noch teurer und wird trotzdem gekauft.
Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, um PHB attraktiver zu machen?
Nichts, auch Biotomaten sind teurer als Gespritzte. Sie werden trotzdem gekauft, weil sie gesünder für uns sind.
Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, würden Sie noch einmal Biomer gründen?
Ja, da ich viel gelernt, viele Leute getroffen habe und viele interessante Gespräche führen konnte.
Vielen Dank für Ihre aufschlußreichen Antworten, Herr Hänggi! Wir wünschen Ihnen alles Gute!
1PHP=Polyhydroxybutyrate (mikrobiell erzeugter Biokunststoff)
2PP=thermoplastischer Kunststoff, erdölbasiert
3Exon Valez war ein Öltanker, welcher 1989 auf Grund lief und dadurch eine große Umweltkatastrophe auslöste.